Kapitel 10: Fragen und Antworten

Als horizontale Integration bezeichnet man die Machine-to-Machine Kommunikation (M2M) zwischen intelligenten Feldgeräten und SPSen sowie zwischen den SPSen untereinander. Dies erlaubt es den intelligenten Maschinen und SPSen, Produktionsabläufe autonom und flexibel anzusteuern, zu überwachen und ggf. auf ungewünschte Situationen zu reagieren.

Unter vertikaler Integration wird die Kopplung der SPSen mit den Geräten der Prozess-, Betriebs- und Produktionsleitebene verstanden. Dabei erolgt die zentrale Datenhaltung in der Cloud, an die die Systeme ihre Daten senden. Die Auswertung dieser Daten ermöglicht die Bilanzierung der Verbrauchs- und Produktionsmengen, Asset- und Qualitätsmanagement sowie die Produktionsplanung und steuerung.

  • TCP/IP-Kanal: Daten, die nicht in Echtzeit übertragen werden müssen, können mit Hilfe des Transmission Control Protocols (TCP) gesichert und in Verbindung mit dem Internet Protocol (IP) in einem großen Netzwerk wie dem Internet mit vielen Teilnehmern versendet werden. In einem lokalen Netzwerk beträgt die Übertragungsdauer ca. 200 ms.
  • RT-Kanal: Echtzeitdaten erhalten bei der Datenübertragung eine höhere Priorität als zeitunkritische Daten. Wie schon in Bild 2.15 skizziert besitzt jeder Switch einen Speicher, der die eingelesenen Telegramme gemäß ihrer Priorität in eine Warteschlange einreiht. Dabei werden die Echtzeitdaten wegen ihrer höheren Prioritiät vorgelassen. Zeitunkritische Daten werden für eine spätere Übertragung zurückgestellt. Mit dem sog. Realtime-Kanal RT können Daten mit Zykluszeiten von 1..10 ms übertragen werden, was etwa im Bereich der Feldbusdatenübertragung liegt.
  • IRT-Kanal: Für Motion-Control-Anwendungen mit besonders schnellen Regelkreisen steht ein isochroner Realtime-Kanal IRT zur Verfügung. Damit Busübertragungszeiten im Bereich vom 100 µs erreicht werden, wird die Übertragungsstrecke auf dem Ethernet für isochrone Daten zeitweise exklusiv reserviert. Alle Switches werden vorab so gestellt, dass der vorgesehene Übertragungsweg als Punkt-zu-Punkt-Verbindung bereit steht und die Daten ohne Wartezeit übertragen werden können.

Mit Time Sensitive Networking (TSN) wird ein echtzeitfähiger Datenaustausch über Ethernet ermöglicht. TSN stellt eine Art Toolbox für Echtzeit-Ethernet auf Standard-IT-Hardware dar. Wie bei Profinet werden Daten unterschiedlicher Priorität in verschiedenen Kanälen mit teilweise individuellem Zeitslot übertragen. Dazu sind alle Teilnehmer zeitsynchronisiert.

Profinet erfüllt mit den oben aufgeführten Mechanismen schon viele Anforderungen des TSN, insbesondere die determinierte Weiterleitung von Daten durch Switches und die Kompatibilität zu Ethernet TCP/IP. Das Ziel der Kompatibilität mit Standard-Hardware ist aber noch nicht ganz erreicht, denn oft sind noch herstellerspezifische Geräte wie spezielle Profinet-Switches erforderlich.

  • Hubs und Repeater verstärken elektrische bzw. optische Signale und verlängern somit Bussegmente. Während ein Repeater nur einen Eingang und einen Ausgang hat, besitzt ein Hub mehrere Anschlüsse. 
  • Switches und Bridges koppeln Bussegmente gleichen Typs. Dabei leiten sie Nachrichten anhand der Hardwarezieladresse von einem Segment zum anderen. Der lokale Datenverkehr wird abgewiesen, d. h. die Daten innerhalb eines Rings gelangen z. B. nicht über eine Bridge. Der Unterschied zwischen Bridges und Switches ist, dass Switches über mehr als nur zwei Anschlüsse verfügen.
  • Router verbinden ebenso Netzsegmente mit gleichem Protokoll und Adressierungsmechanismen. Zusätzlich führen sie die Wegsuche für die Datenpakete in stark vermaschten Netzen wie dem Internet durch.
  • Gateways koppeln Bussegmente ungleichen Typs. Dabei erfolgt eine Protokollumsetzung, damit auch Daten zwischen Netzen mit unterschiedlicher Kommunikationsarchitektur und inkompatiblen Protokollen ausgetauscht werden können.

OPC (Open Plattform Communication) arbeitet meist nach dem Client-/Servermodell. Der OPC-Server in der SPS legt die aktuellen Variablenwerte in einer Itemliste ab und hält diese ständig aktuell. Die OPC-Clients können Items von verschiedenen OPC-Servern anfordern, indem sie angeben, von welchem Server, welche Daten gelesen und/oder überschrieben werden sollen.

Der Vorteil der OPC-Kopplungen ist, dass sie systemunabhängig arbeiten, d.h. die Schnittstelle für einen OPC-Client (z.B. eine HMI) muss nur einmal konfiguriert werden unabhängig davon, von welchem Hersteller der OPC-Server ist.

Zur Sicherung des Datenaustauschs kann im OPC-Server eingestellt werden, dass sich Clients mit Username und Password authentifizieren müssen. Dazu bietet OPC-UA verschiedene Security Policies an, die Client und Server unterstützen müssen. Diese umfassen Mechanismen zur Authentifizierung von Client und Server und zur Verschlüsselung der Daten. Statt einer Authentifizierung mit Username und Password können auch Certificates oder Keys vergeben werden, die nur den jeweiligen Clients und Servern bekannt sind und zur Authentifizierung und Entschlüsselung der Daten dienen.

MQTT arbeitet mit einem Broker, der nach dem beschriebenen Publish/Subscribe-Verfahren die Meldungen der Publisher annimmt und an die Subscriber, die das entsprechende Topic abonniert haben, sendet, wenn diese verbunden sind. Andernfalls speichert der Broker die Messages, bis der Client wieder online ist.

MQTTrealisiert also nicht zwangsweise eine zyklische Datenübertragung und ist für Echtzeitkommunikation nicht geeignet. Die ereignisbasierte Kommunikation sorgt z. B. dafür, dass der Publisher nur Daten sendet, wenn sie sich verändert haben und eine neue Information vorliegt. Dies reduziert den Datenverkehr zur Cloud erheblich.

In der SPS läuft ein Web-Server,r, der die Prozessgrafik als Webseite bereitstellt. Zur Erzeugung von Webseiten dient beispielsweise in Codesys die Programmiersprache HTML5 (Hyper Text Markup Language). Mit ihr können Texte, Links auf andere Webseiten, Bilder, Videos und JavaScripts in die Webseite integriert werden. Mit einem JavaScript kann eine Dynamisierung von Grafikelementen programmiert werden, z. B. die farbliche Veränderung eines Symbols bei einer Wertänderung des hinterlegten Items. 

Ruft ein Webclient die URL des Web-Servers auf (z.B. http://192.168.61.102:8080/webvisu.htm), so sendet der Webserver die Webseite mit eingebetteten JavaScripts verschlüsselt an den Webclient zurück. Die einzelnen Java-Scripts werden ereignisbasiert ausgeführt, beispielsweise bei einer Bedienereingabe oder wenn eine Variable ihren Wert ändert.

 

  • Infrastructure as a Service (IaaS): Hierzu zählen Rechnerkapazitäten, Speicherplatz und die Netzwerkinfrastruktur. Die Provider kümmern sich damit auch um Cybersecurity, Datenarchivierung und Aktualisierung der Hard- und Softwareinfrastruktur.
  • Platform as a Service (PaaS): Damit stellen die Provider den Anwendern eine Entwicklungsumgebung zur Verfügung, mit der sie ihre eigenen Apps und Weboberflächen programmieren und ihre Daten verwalten können.
  • Software as a Service (SaaS): Die Anwender können auch von den Providern angebotene, vorgefertigte Apps zur Datenspeicherung und -auswertung nutzen. Beispielsweise bieten Provider Apps für neuronale Netzen an, durch die große Datenmengen analysiert werden können.

Betriebsdatenerfassung: Ein in der Praxis häufig eingesetztes Verfahren zur Online-Datenreduktion ist der Swinging-Door-Algorithmus. Dabei wird zunächst ein Toleranzband ±Δy für die online abgespeicherten Prozessdaten y(k) festgelegt. Verbindet man nun den zuletzt
gespeicherten Punkt y(ki) mit den Grenzen des Toleranzbandes des nächsten Punkts durch die beiden gestrichelten Geraden, ergibt sich sozusagen der Öffnungsspalt einer Tür für den folgenden Punkt. Liegt der folgende Punkt y(ki+2) in diesem farblich markierten Bereich, wird der vorherige Wert y(ki+1) gelöscht. Mit den weiteren Punkten verfährt man genauso. Die Weite des Spalts verringert sich wie bei einer Schwingtür, je mehr Werte in einem Toleranzband liegen.

Betriebsdatenauswertung: Ziel ist es Daten für die Kostenrechnung, Ressourcenplanung, Wartung, Instandhaltung und Qualitätssicherung zu ermitteln.

  • Um beispielsweise die Betriebskosten zur Produktion einer Charge zu ermitteln, sind unter anderem der Material- und Energieverbrauch sowie die Belegungszeit bestimmter Anlagenteile von Interesse.
  • Der Materialverbrauch lässt sich anhand der Füllstandsverläufe oder der gemessenen Durchflussgeschwindigkeiten in den Ablaufleitungen aller für ein Material in Anspruch genommenen Vorlagebehälter berechnen. Bei der Erfassung der Füllstände spielen die Zeitpunkte eine Rolle, die aussagen, wann ein Ablaufventil auf- bzw. zugefahren wurde.
  • Der Energieverbrauch einer Anlage basiert zum einen auf der Laufzeit der eingesetzten Maschinen. Die Maschinenlaufzeiten lassen sich durch zeitliche Integration der binären Stellsignale aller eingesetzten Antriebe ermitteln. Zum anderen wird der Energieverbrauch aber auch durch die Anzahl der Schaltvorgänge sowie durch die zugeführte Energie Q zum Heizen und Kühlen eines Stoffes bestimmt.

Während der Herstellung einer Charge wird eine automatische Protokollierung aller Schaltvorgänge, Störmeldungen und Bedienereingriffe mit Zeitstempel ausgeführt. Auch die Aufzeichnung des Werteverlaufs einzelner Messstellen gehört zu den Standardfunktionen des Electronic Batch Records. Anhand eines solchen Chargenprotokolls ist eindeutig nachvollziehbar, was während des Rezeptablaufs in der Anlage geschah, sei es
durch die Automatisierung oder durch den Bediener. Dies ist vor dem Hintergrund der Produkthaftung ein wichtiger Nachweis dafür, dass die automatisierte Anlage wie spezifiziert ablief und der Anlagenfahrer den Prozess ordnungsgemäß bediente.
 

Die Zustandsüberwachung der Anlage und ihrer Feldgeräte bezeichnet man als Condition Monitoring. Häufig treten bei einem Fehler aber sehr viele Alarm- und Statusmeldungen zeitgleich auf. Deshalb werden bei einer signalbasierten Fehlererkennung Mess- und Stellwerte mehrerer Einflussgrößen in der SPS oder im PLS überwacht und das Über- bzw. Unterschreiten von Grenzwerten gemeldet.

Aus dieser großen Anzahl an Status- und Alarmmeldungen muss durch eine Fehlerdiagnose auf den oder die ursächlichen Fehler zurückgeschlossen werden. Neuronale Netze können diese Klassifikationsaufgabe lösen und angeben, ob ein bestimmter Fehler die Ursache für das vorliegende Alarmmuster war oder nicht. Dafür muss das neuronale Netz aber mit vielen Alarmmustern für vordefinierte Fehlerfälle trainiert werden.

 

Qualitätsmanagementsysteme (QMS) überwachen die Qualität des von einer Anlage hergestellten Produkts. Dazu wird im MES ein Prüfablauf als Schrittkette ausgeführt. Der Prüfablauf läuft parallel zum Prozessablauf in der SPS ab und wird von ihm wie
in unten dargestellt gestartet.

  • Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) werden eingesetzt, um neuronale Netze zu trainieren und damit z. B.
    ■ Fehler früher zu erkennen und Schäden zu vermeiden,
    ■ unbekanntes Prozessverhalten zu erlernen und zu regeln oder
    ■ die Produktqualität zu bewerten und zu verbessern.

Neuronale Netze können durch Funktionsbausteine modular und anschaulich in der SPS programmiert werden. Das aufwendige Training kann als Software as a Service (SaaS) in der Cloud durchgeführt werden. Nachdem das neuronale Netz in der Cloud ausreichend trainiert wurde, können die Netzwerkparameter wie Gewichts- und Schwellenwerte der einzelnen Neuronen an die SPS übertragen werden. Das in der SPS programmierte neuronale Netz mit den optimalen Parametern erzeugt dann dieselben Vorhersagen oder Zuordnungen wie das Original in der Cloud. Wenn sich das neuronale Netz in der Cloud durch neue Trainingsdaten aktualisiert, werden auch die aktuellen Netzwerkparameter in der SPS angepasst.

 

Zur Produktionsplanung werden vom Marketing und Vertrieb die Bestellungen für ein herzustellendes Produkt in das PPS eingegeben. Das PPS stellt anhand der Terminvorgaben und der Auslastung der Anlagen ein Produktionsprogramm zusammen, in dem festgelegt ist, wann wie viel von welchem Produkt etwa im Zeitraum der nächsten 4 Wochen hergestellt wird. Je nach erforderlicher Menge werden die zur Produktion benötigten Personen, Materialien und Anlagen im PPS reserviert. Die eingeplanten Produktionsvorgänge werden zu sog. Produktionsaufträgen zusammengestellt. Diese enthalten sämtliche Informationen, die zur Herstellung eines Produkts benötigt werden, wie Einsatzstoffe, Anlagenbereiche, Zeiträume, etc. 

Im Rahmen der Produktionssteuerung wird eine Feinplanung der Produktions- und Reinigungsvorgänge in einer Anlage durchgeführt. Diese erfolgt im Allgemeinen erst in der Vorwoche des Rezeptstarts. Dabei wird aus dem Produktionsauftrag für jede Anlage ein Prozessauftrag erzeugt. Dieser umfasst die Disposition der Steuerrezepte mit der Nummer der zu produzierenden Charge und dem geplanten Startzeitpunkt, zu dem das Steuerrezept im Automatisierungssystem ablaufen soll. Wenn der Starttermin erreicht ist, wird automatisch das entsprechende Steuerrezept im Automatisierungssystem gestartet.

Außerdem ist im Prozessauftrag festgelegt, welche Betriebsdaten zu welchem Zeitpunkt des Rezeptablaufs zurückgemeldet werden müssen, um sie mit Sollwerten zu vergleichen. Diese Auftragsüberwachung dient zur Qualitätssicherung, Terminüberwachung, Material- und Energiebilanzierung etc. Bei Abweichungen des Betriebsgeschehens vom vorgesehenen Ablauf reagiert das MES mit Umplanung oder Meldung, dass manuelle Vorkehrungen getroffen werden müssen.

Ein LES steuert hierfür folgende Tätigkeiten:

  • Kommissionierung: Gemäß dem vom ERP-System empfangenen Materialauftrag erstellt das LES einen Transportauftrag zum Auslagern der benötigten Rohstoffe. Außerdem wird die Bereitstellung von sog. Leergebinden (je nach Produkt Säcke oder Fässer) beauftragt, in die die Rohstoffe und das herzustellende Produkt abgefüllt werden. Menge und Typ der ausgelagerten Rohstoffe werden verbucht und der Warenbestand wird wie in Beispiel 3.13 aktualisiert.
  • Warentransport: Die SPS führt die Transportaufträge aus. Sie steuert wie in Beispiel 5.6 das Ein- und Auslagern von Waren im Hochregallager. Für den Transport von Leergebinden und Waren zu den Produktionsstätten, sowie zur Verpackungsstation oder zurück zum Lager steuern Motion-Control-Systeme wie in Beispiel 7.1 die Bestückung und Bewegung autonomer Fahrzeuge durch Roboterarme.
  • Etikettierung: Beim Abfüllen müssen die Waren mit der korrekten Bezeichnung und Chargennumer etikettiert werden. Hierfür aktiviert das LES Druckaufträge für den Zeitpunkt, zu dem ein Gebinde manuell oder automatisiert mit dem zugehörigen Etikett beklebt werden soll. Die richtige Etikettierung ist für die Produktsicherheit unabdingbar.

Unter Supply-Chain-Management versteht man die weitgehende Automatisierung
der Vorgänge in dieser logistischen Kette. Da die verschiedenen Steuerungssysteme
miteinander vernetzt sind, kann ein System die durchzuführenden Prozesse im
nächsten System automatisch anstoßen.

Beispielsweise werden zur Nachbestellung vonMaterialien Aufträge über das Intra- oder Internet
automatisch an andere Lagerverwaltungssysteme interner oder externer Lieferantensysteme übertragen.
Ein Supply-Chain-Management ermöglicht es auch, den Status des Produktionsprozesses nach außen sichtbar
zu machen, so dass der Kunde jederzeit abfragen kann, wann mit der Lieferung zu rechnen ist.
Außerdem erkennt der Betreiber, wo aktuell Engpässe, sog. Bottle Necks, in der logistischen Kette vorliegen.

Speicherprogrammierbare Steuerungen in der Industrie 4.0

5. Auflage erschienen im Hanser Verlag 2021